Elektrische Telegrafie

Die Entdeckung der Elektrizität

Der griechische Naturforscher Theophrast schrieb um 300 v. Chr., dass Bernstein und der Edelstein Lynkurer, wenn sie gerieben werden, leichte Anziehungskraft entwickeln und Strohhalme, Reisig und Metall- und Eisenblättchen an sich reißen. Dies ist umso interessanter, da sich der Begriff Elektrizität vom griechischen Wort für Bernstein ableitet. Wilhelm Gilbert (1544–1603) fertigte in seinem Werk „De magnete” ein Verzeichnis derjenigen Substanzen an, die eine Reibungselektrizität aufweisen. Er testete nun die Bedingungen, unter denen der elektrostatische Effekt beobachtbar war. So kam er zu der Beobachtung, dass die „elektrischen Erscheinungen” bei trockener Luft, beim Nord- und Ostwind und bei leichtem und hurtigem Reiben am stärksten waren. Er deutete die Beobachtungen so, dass elektrische Körper durch die beim Reiben erregten „Ausflüsse” andere Substanzen berührten – wie zwei Tropfen Wasser, die ineinanderlaufen, wenn sie sich berühren.
Auch wenn die elektrostatischen Eigenschaften von bestimmten Stoffen erkannt worden waren, war eine technische Ausnutzung dieser Anziehungskräfte noch nicht möglich. Stattdessen wurden immer mehr elektrische Phänomene entdeckt. Jean Picard (1620–1682) entdeckte 1675, dass Quecksilber, das in einem (nahezu) luftleeren Raum des
Barometers geschüttelt wird, zu leuchten beginnt. Francis Hauksbee (1666–1713) bezweifelte, dass das Quecksilber der entscheidende Faktor war und machte eigene Versuche, bei dem eine hohle und luftleere Kugel auf einer drehbaren Achse befestigt und anschließend gerieben wurde.
Das Ergebnis war verblüffend: Die Kugel leuchtete. Diese Konstruktion, der Prototyp der sog. Elektrisiermaschine, wurde in der Folgezeit stetig verbessert. Sie bestand im Wesentlichen aus drei Bauteilen: einem geriebenen Körper, z.B. einem aufgeladenen Glasstab, Glaskugel, Glaszylinder oder Glasscheibe; einem Reibzeug, also der Hand oder einem Reibekissen; und einem isolierten Leiter (Konduktor), wie z.B. einem Rohr oder sogar einem elektrisch isolierten Knaben.

Die Nutzbarmachung der Elektrizität

Um die bei der Elektrisiermaschine entstanden Ströme nutzbar zu machen, war eine weitere Erfindung vonnöten. Ewald Georg von Kleist (1700–1748) und Pieter van Musschenbroek (1692–1761) erfanden die sog. Leidener Flasche. Kleist nahm eine mit Alkohol gefüllte Flasche, in deren Hals er einen Nagel steckte. Wenn er die Flasche, die er in der Hand hielt (und somit geerdet war), an den Konduktor der Elektrisiermaschine hielt und anschließend mit der anderen Hand den Nagel im Flaschenhals berührte, erzeugte das einen Schlag. Dabei musste das Gefäß von innen und außen mit einer leitenden Schicht überzogen sein. Die Leidener Flasche konnte die elektrische Energie der  Elektrisiermaschine sammeln und eine gewisse Zeit speichern.
Da die Leidener Flasche vergleichsweise hohe Spannung bei niedrigem Strom lieferte, war ein kontinuierliches Arbeiten nach wie vor nicht möglich. Dazu brauchte es die Erfindung des Italieners Alessandro Volta (1745–1827). Nach Versuchen seines Landsmanns Luigi Galvani (1737–1798) an Fröschen stellte er eigene Versuche an, wodurch er zu dem Schluss kam, dass Elektrizität aus dem Kontakt zweier unterschiedlicher Metalle mit einer leitenden Flüssigkeiten hervorgeht. Er unterschied zwischen Leitern 1. Klasse (z.B. Metalle) und 2. Klasse (z.B. Flüssigkeiten). Schließlich konstruierte er eine Säule aus übereinandergestapelten Zink-, Silberplatten und mit Wasser getränkten Lederstücken; diese Komponenten setzte er 20 Mal übereinander. Diese elektrochemische Stromquelle lieferte im Vergleich zur Elektrostatik hohen Strom bei fast konstanter Spannung; ein Nebenprodukt war die Elektrolyse – die Zersetzung des Wassers in Wasserstoff und Sauerstoff.
Volta sprach von einer Batterie, wenn man mehrere Voltaschen Säulen parallel oder seriell schaltete.
Die Möglichkeit der Nutzung von Strom für wissenschaftliche Zwecke mit Hilfe der Volta-Säule führte zu weitreichenden Entdeckungen, so wie zur Entdeckung des Zusammenhangs von Elektrizität und Magnetismus. Der Däne Hans Christian Oersted (1777–1851) entdeckte 1820, dass eine Magnetnadel von einem waagerecht darüber oder darunter befindlichen Draht, durch den Strom fließt, abgelenkt wird. Johann S.C. Schweigger (1799–1857) führte diese Konstruktion weiter und führte den Draht mehrfach um die Nadel herum und vervielfachte so die Wirkung. Er nannte diesen Aufbau Multiplikator.

Elektrische Telegrafen

Anfang des 19. Jahrhunderts wurden diese Erkenntnisse nahezu zeitgleich auf die Telegrafie angewandt und führten zur Erfindung des elektrochemischen Telegrafen von Soemmering, des elektrostatischen Telegrafen von Ronalds und des Nadeltelegrafen von Canstatt. Die übertragenen Zeichen – Buchstaben oder Ziffern – konnten entweder
direkt am Empfänger abgelesen werden oder wurden mit einem Binärcode übermittelt und mussten anschließend von Hand decodiert werden. Nachdem sich die elektrische Telegrafie durch Zuverlässigkeit und Betriebssicherheit bewährt hatte, wollte man den Nachrichtenaustausch auch über weite Strecken bewerkstelligen. Das stellte die Ingenieure
jedoch vor schwerwiegende Probleme: neben der erforderlichen Zugfestigkeit und Bruchfestigkeit der Kabel vor allem die Leitungsverluste und das Übersprechen. Im Juli 1866, nach drei gescheiterten Versuchen, gelang es, eine transatlantische Telegrafenverbindung von 4500 km Länge, einem Kabelgewicht von 4000 Tonnen über eine Tiefe bis zu 3 km
herzustellen.
Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts standen die deutschen Telegrafieverbindungen unter staatlichem Monopol. Aus Angst vor einer oppositionellen Organisation verbot die Regierung unter dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861) die Installation privater Netze.
Erst 1849 wurde zunächst die „Staatstelegraphie” für den privaten Verkehr freigegeben, bevor 1855 auch privaten Unternehmen erlaubt wurde, eigene Telegrafenlinien zu betreiben. Mit zunehmender Nachfrage nach telegrafischer Dienstleistung folgten Effizienzsteigerungen. So wurden beispielsweise mehrere Telegrafen im Zeitmultiplex auf einer
Leitung betrieben, oder Nachrichten wurden von mehreren Telegrafisten zunächst auf gestanzten Papierstreifen vorbereitet, damit sie nacheinander vom Sendergerät in schnellerer Abfolge eingelesen werden konnten. 1881 umfasste das Reichstelegrafennetz 5460 km Leitungslänge.

vgl. Kloss, Albert: Von der Electricität zur Elektrizität. Ein Streifzug durch die Geschichte der Elektrotechnik, Elektroenergetik und Elektronik. Basel/ Boston/Stuttgart 1987;
Sjobbema, D.J.W.: Geschichte der Elektronik. Vom Volta-Element zum digitalen Fernsehen. Aachen 1999;
Lindner, Helmut: Strom. Erzeugung, Verteilung und Anwendung der Elektrizität. Reinbek 1985.

Exponate